Predigt beim BVB - Gottesdienst
Hier finden Sie die Predigt von Journalist und BVB - Fans Hans Leyendecker beim Saisoneröffnungsgottesdienst vor über 300 Fans am 25. August 2016 in der Dreifaltigkeitskirche am Borsigplatz.
Liebe Schwestern und Brüder, liebe BVB-Gemeinde ,
es ist schön, hier zu sein und es ist schön, dass Sie gekommen sind. Fast alle sind in Schwarz-Gelb gekommen. Blaue sehe ich nicht. Rote auch nicht. Wir sind also unter uns. Warum ist es sinnvoll, sich vor einer Saison in dieser Kirche zu versammeln? Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen ist die Dreifaltigkeitskirche eng verwoben mit der Geschichte des BVB. In dieser Kirche trugen die Gründer des Vereins ihre Hoffnungen, ihre Ängste, ihre Sorgen vor Gott. Zum anderen können wir in den biblischen Zeugnissen nachlesen, was Menschen – als einzelne, als Gruppe, als Gemeinde oder auch als ganzes Volk – mit Gott erfahren haben, und indem wir an ihre Erfahrungen mit Gott anknüpfen und sie aufnehmen, können wir zu eigener Gotteserfahrung gelangen. „You ll never walk alone“ werden wir in diesem Gottesdienst singen. Christenmenschen wissen: Da ist einer, der Dich hält. Du bist nicht alleine. Es gibt den Bundesliga-Terminkalender und es gibt den Liturgischen Kalender. Nach dem Bundesliga-Terminkalender geht in zwei Tagen die Saison für den BVB los. Nach dem Liturgischen Kalender stecken wir mitten in den Briefen des Neuen Testaments. In diesem Sammelbecken alter Wahrheit und religiöser Offenbarung kann man Kraft schöpfen, um dann mit erneuter Kraft den Kampf mit den Zeitproblemen aufzunehmen und oft geht es um Hoffnung und um Anfänge. Anfänge bewegen uns immer. Wenn wir Kinder bekommen, Enkelkinder oder Urenkel, ist das immer ein ganz besonderes Ereignis. Den Zauber aller Anfänge hat eine junge Frau mal so formuliert, als sie ein Baby sah: „Es hat so schöne unabgelaufene Füße“. Jeder Anfang hat die Zartheit und den Glanz des Unverdorbenen. Es ist eine Erinnerung und ein Versprechen. Eine Erinnerung an all die Anfänge, die hinter uns liegen und in Hoffnung begonnen wurden, ein Versprechen, dass es einmal einen Anfang geben wird, der nicht gleich überholt ist.
Liebe Borussen-Gemeinde. Wie viele Anfänge liegen hinter uns? Wie viel Hoffnung gab es, die erfüllt wurde – oder nicht. Diese Saison, das wissen wir alle, wird keine normale Saison für den BVB werden. Es gab Abgänge, die schmerzten und es gibt Neuzugänge, die zu großen Hoffnungen Anlass geben und gleichzeitig möchten viele von uns, dass die Alten, also Schmelle, Bender und die anderen, mit denen wir vertraut sind, in dieser neuen Mannschaft ihren Platz finden werden. Sie gehören doch dazu, sie stehen uns nah-oder ist das nur eine sentimentale Sicht? Was unterscheidet eine siegreiche Mannschaft von einer Mannschaft mit vielen tollen Einzelspielern ? Man muss das Gesamtkunstwerk hinbekommen. Es wird nicht einfach werden, beim BVB das Neue und das Alte miteinander zu verbinden. Man muss der Mannschaft, den Spielern Zeit geben. Das meint auch, dass die Fans der Mannschaft Zeit geben müssen. „Der Weg, den wir einschlagen, ist sehr jung und riskant“ hat Thomas Tuchel gesagt. Der Trainer, das haben wir in der vorigen Saison erfahren dürfen, hat viele außerordentliche Begabungen. Er ist innovativ. Man darf ihm jetzt auch die notwendige Empathie wünschen, um mit den Spielern gemeinsam etwas aufzubauen. Sind da Söldner gekommen, die nur eine Bühne für ein Zwischenspiel suchen oder handelt es sich um Fußballspieler, die zumindest ahnen, was für ein Verein der BVB wirklich ist? Eine „teure Wette auf die Zukunft“ sei der Kader des BVB haben Kritiker gesagt. Christenmenschen kennen sich mit dem Morgen, mit dem, was kommt, aus. Sie haben einen Hoffnungsanker in die Zukunft geworfen. Aber sie wissen auch, dass Dinge, die mit den besten Absichten begonnen und in die Welt gesetzt werden, keinerlei Garantie haben. Wer das genauer nachlesen will, sollte sich das Markusevangelium anschauen. Dort findet sich zu dem Wert von Neuanfängen eine Menge. „Ich strecke mich aus nach dem, was vorne ist und jage nach dem vorgesteckten Ziel, nach dem Siegespreis der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus“ hat der Apostel Paulus gesagt. Man kann den Sieg nicht herbeizwingen, aber man kann versuchen, sich des Preises würdig zu erweisen. Auch das ist eine Lehre für uns Fans. Das Wort Würde hat etwas mit Achtung zu tun. Achtung vor dem anderen. Es gibt, auch unter den Anhängern von Borussia Dortmund, einen Ton, der mich stört. Er ist schrill, er ist laut, er ist dröhnend - gerade wenn es um den BVB und Spieler des BVB geht. Dass einer wie Mats Hummels am Ende der vorigen Saison bei jeder Ballberührung von vielen auf der Süd ausgepfiffen wurde, habe ich als unangenehm empfunden. Ich habe dann- wie andere auch- bei jeder Ballberührung von Hummels geklatscht. Das war lästig, musste aber, wie ich meinte, sein. Der Hass in den Gesichtern einiger Hummels-Auspfeifer war schrecklich anzusehen. Da hat ein Münchner acht Jahre für den BVB gespielt und er ist jetzt nach München zurückgegangen. Das ist nicht schön, aber der, der da gegangen ist, wird dadurch doch nicht zum Gegner, zum Feind. Im Supercup ist Hummels wieder ausgepfiffen worden. Er ist aber nach dem Spiel in der Kabine des BVB gewesen und hat danach von „den Jungs“ gesprochen. Er meinte nicht die aus München, sondern seine alten Jungs. Noch mal: Man muss würdig sein, den Erfolg oder den Siegespreis zu empfangen. Wer hasst, ist nicht würdig. Wir sollten uns beim Blick auf Hummels nicht von Karlheinz Rummenigge erklären lassen, was sich gehört und was nicht, das sollten die Bayern besser Herrn Ribery mal erklären. Aber der Blick ins Ausland schadet nicht. In England etwa werden ehemalige Spieler manchmal sogar bei der Rückkehr von den Fans umjubelt. Auch Siggi Held und Lothar Emmerich haben den BVB mal verlassen und sind doch ein Leben lang Borussen geblieben. Fußball ist ein Spiel, aber Fußball ist nicht alles und Erfolg ist schon gar nicht. Wer die Jahre in der Regionalliga West als Zuschauer miterlebt hat oder in der 2. Bundesliga Nord zuschaute, weiß, wie es kommen kann. In der Saison 1973/74 lag der Zuschauerschnitt bei 8900 Zuschauern. Und die wahren Fans blieben doch dabei. Unvergessen dann der Wiederaufstieg 1976 mit dem 3:2 gegen Nürnberg. Das war eins der schönsten Spiele, die ich erlebt habe. Wer aber nur auf Erfolge setzt, nur Erfolge braucht, wer nicht verlieren kann, sollte besser zu den Roten gehen. Und wer alles im Leben an Erfolgen misst, hat am Ende nichts.
Der Fußball hat sich seit jenen siebziger Jahren stark verändert und unsere Wahrnehmung des Fußballs auch. Er schien selten so wichtig zu sein wie heute. Noch nie ging es um so viel Geld. Während der Weltmeisterschaft in Brasilien wurde in der Werbung die Christus-Staute über Rio de Janeiro gezeigt, allerdings verfremdet. Der Erlöser segnete nicht, sondern er spielte wie ein Fußballer. Das religiöse Symbol wurde umgedeutet, seine Ausstrahlung benutzt, die Botschaft wurde durch eine andere ersetzt. Die Rede von der Ökonomisierung des Lebens bedeutet, dass alles und alle ausnahmslos dem Erwerbs-und Gewinnstreben untergeordnet wird. Das ist nicht gut fürs Leben. Der Wahnsinn im Fußball hat mittlerweile System. Da sind arabische Scheichs, russische Mogule, chinesische Konzerne, englische Fußballsender, die das Spiel mit dem Ball zu bestimmen versuchen. 105 Millionen Euro wurden für den Wechsel von Pogba gezahlt. Die Ablösesumme für Ronaldo soll angeblich bei einer Milliarde liegen. Märkte werden aufgeblasen und was aufgeblasen wird, kann auch platzen. Das alles ist gefährlich für die Glaubwürdigkeit von Spielern und Vereinen und auch für die Identifikation mit dem Sport. „Wir müssen aufpassen, dass wir die Menschen nicht verlieren“, hat Tuchel gesagt. Hilft uns da noch Gottes Wort? Etwa in der Mitte der Bergpredigt steht: „Selig sind die, die reinen Herzens sind“ und dann gibt Jesus den Rat, dass Geld ablenkt von dem, was im Leben wirklich zählt: „Häuft vielmehr im Himmel Schätze für euch an, wo weder Motten noch Rost sie vernichten“. Das gilt. Überall. Auch im Fußball. Es gibt in dieser oft entkirchlichten Welt mit all den vielen Nichtgläubigen oder religiös Ungebildeten Gesten der Frömmigkeit, die ich achte. Da bekreuzigen sich Spieler wie Aubameyang auf dem Spielfeld oder sie recken die Arme zum Himmel, um zu danken. Wenn es mehr sind als nur Gesten für Facebook sind, kann es Demut sein. Die Spieler danken dann dem dreieinigen Gott, der im Übrigen kein Fußballgott ist. Darum beten wir auch nicht zum Vater Christi um Fußballsiege. In zwei mal fünfundvierzig Minuten plus Nachspielzeit oder Verlängerung können Glück und Unglück, Hoffnung und Enttäuschung dicht beieinander liegen. Viele von Ihnen werden sich noch an das Spiel gegen Malaga erinnern, an die unglaublichen vier Minuten der Nachspielzeit. Erst das 2:2 durch Reus. „Weiter Jungs“, brüllte Norbert Dickel. Dann das das 3:2 durch Santana, das Tor, das einem den Atem nahm. Es war der pure Wahnsinn. An diesem Abend wurde vielen klar, was für ein kraftvolles Leben Fußball sein kann. Scheitern und Triumph lagen ganz dicht beieinander.
Zum Sieg trug einer bei, über den in den vergangenen Wochen viel geredet wurde: Mario Götze. Zugegeben, ich war ganz schön sauer, dass er 2013 den Verein verließ. Es gab den Traum, dass der BVB - bis auf Lewy - eine Mannschaft beisammen halten könnte - und ausgerechnet Götze, der Jüngste, machte sich so einfach davon. Als er dann mit den Roten vorbei schaute, gab es so laute Buh-Rufe wie ich sie in all den Jahren BVB noch nie gehört hatte und auch ich war von Götze sehr enttäuscht. Jetzt ist er zurückgekommen und wie wird er übermorgen, beim ersten Bundesligaspiel von der Süd empfangen werden? „Wiedersehen macht Freude“, sagen wir gern. Diese Worte haben sehr unterschiedliche Bedeutungen. Der Ton macht die Musik. - Sie haben eben die Geschichte vom verlorenen Sohn gehört, wie der Evangelist Lukas sie aufgezeichnet hat. Da war der Ärger des ältesten Sohns zu spüren, der brav daheim geblieben war und die Feier für den jüngeren Bruder als ungerecht empfand. Und was hat der Vater geantwortet? „Mein Sohn, du bist allezeit bei mir und alles, was mein ist, das ist dein. Du solltest aber fröhlich und guten Mutes sein; denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist wiedergefunden“. Der Vater freut sich ohne Wenn und Aber. Er vertraut auf die motivierende und verändernde Kraft der Freude. Jesus sagt; Gott gibt den Menschen eine Chance. Er gibt ihnen Zeit. Der Himmel freut sich darüber, wenn jemand umkehrt. Und wer sind wir eigentlich, dass wir von anderen ewige Treue verlangen? Wie viele unserer eigenen Lebenspläne sind zu Bruch gegangen? Wie viele unserer Beziehungen sind gescheitert? Wie viele unserer Sehnsüchte sind unerfüllt geblieben? Und bei einem Spieler, der mit 21 Jahren ging und mit 24 Jahren zurückkommt, soll man unerbittlich sein? Wer sind wir Fans eigentlich, dass wir glauben, über Lebensschicksale so einfach urteilen zu können? Der Daumen wird gehoben, der Daumen wird gesenkt. Der ist ein Guter, der ist ein Schlechter. Mein ältester Enkel Julius wird im Oktober 21 Jahre alt. Also ist er dann so alt wie Götze war, als der zu Bayern ging. Wäre jemand gegenüber meinem Enkel unbarmherzig, er bekäme es mit mir zu tun. Ich würde das nicht dulden. Wie ist das also mit dem Verein, den wir liebgeworden haben? Wie ist das mit uns? „Denn wo dein Schatz ist, da wird auch Dein Herz sein“, steht in der Bergpredigt. Mein Herz , da denken wir zuerst an Gefühle. Für Jesus aber war das Herz der Kern der Person, der Ort, an dem die Entscheidungen getroffen werden, die unser Tun und Lassen bestimmen. Im alten Israel war das Herz auch die geometrische Mitte einer Person. Gott macht das Herz stark, er pumpt es auf. Im Römerbrief kommt der Apostel Paulus darauf zurück. Er deutet das dem Herzen nahe sein als das zum Glauben an Christus zu rufende Wort. „Woran Du Dein Wort hängst, das ist dein Gott“, hat Martin Luther gesagt. Unsere Herzen schlagen, wenn es um Fußball geht, für den BVB. Woran aber hängen wir unser Wort? Johannes Rau, der frühere Ministerpräsident und ehemalige Bundespräsident, hat diese Frage in einer Bibelarbeit auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Hannover im Jahr 2005 mal so beantwortet: Sagt euren Kindern, dass euer Geld verdankt ist, dem Lebenswillen Gottes, Sagt ihnen, dass eure Verzweiflung geborgen war in der Gegenwart des Schöpfers, Sagt ihnen, dass wir auf den Schultern unserer Mütter und Väter stehen Sagt ihnen, dass wir ohne innere Heimat keine Reisen unternehmen können. Denn wer nirgendwo zuhause ist, der kann auch keine Nachbarn haben. Was für ein kluger Satz, was für ein schöner Satz. Die Fans dieses Vereins haben, wenn es um Fußball geht, schon viele Jahre ein Zuhause. Es sind gute Fans. Vielleicht nicht die besten der Welt, aber die besten, die ich kenne. Ich habe Verständnis für die, die jetzt nicht nach Leipzig zum Kunstverein RB Leipzig fahren wollen, aber ich habe auch Verständnis für die, die hinfahren, um den BVB zu sehen und zu unterstützen. Fans haben Nachbarn, die mit ihnen leiden und hoffen und sich mit ihnen freuen. Liebe Gemeinde, eine aufregende Saison liegt vor uns. Vielleicht eine wilde Saison. Vielleicht eine mit Erfolgen, vielleicht aber auch nicht. „Hoffnung“, das hat Vaclav Havel einmal gesagt, „ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass es Sinn hat, egal, wie es ausgeht“. Was aber bleibt, ist der Glaube. Er kann uns dabei helfen, Fußball als das zu erleben, was er ist: Ein kraftvolles Stück Leben: „Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt“ hat der Erlöser seinen Jüngerinnen und Jüngern gesagt, als die kleine Gruppe oben in den abgelegenen galiläischen Bergen beisammen war. Gott traut uns Unerhörtes zu. Liebe Borussen: Lasst uns das Salz und das Licht der Bundesliga sein. Dazu gehören auch Fairness, Anstand und Würde. Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.